Die Diva im Schilf: die Ringelnatter

Man sagt dem Tegernsee ja einiges nach: feine Villen, feines Essen, feine Leute. Wenig erwähnt bleibt eine elegante Erscheinung, die so gar nicht prahlen will. Sie bleibt lieber im Verborgenen und zieht sich, wenn man sich ihr allzu aufdringlich nähert, lieber ins Schilf zurück: unsere heimische Ringelnatter.

Von: Yvonne Aschoff | Veröffentlicht am 24. August 2025

Eine Ringelnatter bewegt sich aus dem Wasser ans Ufer.
Foto: Petr Ganaj. Pexels

Natrix natrix bewegt sich ganz ohne Schaulaufen zwischen luxuriösem (Zweit-)Wohnsitz und See, stumm und geschmeidig, und buhlt um nichts, außer um ein paar Sonnenstrahlen. Einem bei ihrem Anblick laut quiekenden Homo sapiens sapiens droht von dieser Schlange weder Gift noch Gefahr.

Im Gegenteil, sie will wirklich gar nichts von uns, außer auch eine kleine Freifläche am Wasser. Die Ringelnatter steht unter Schutz und gehört, wenn überhaupt etwas, dann ruhig und respektvoll bestaunt: als jene urtümliche Schönheit mit altmodischen, goldgelben Epauletten hinter den Ohren – ihr einziger Schmuck im sonst dezent grauen Gewande.

Ihr Understatement lässt sie lieber im Verborgenen bleiben, aber jetzt, im Spätsommer, beginnen ihre sichtbaren Auftritte in Ufernähe. Nicht weil sie plötzlich gesellig wird, sondern weil sie weiß, dass der Luxus des Sonnenbads bald vorbei ist. Der Herbst naht … Was für uns das goldene Licht, ist für sie ein biologischer Countdown.

Bis in den Oktober hinein kann man sie also noch erspähen (aber psssst, jetzt gaaaanz leise sein!), auf einem sonnenbestrahlten Stein zusammengerollt und Wärme tankend. Dann aber wird es kühl, feucht, ungemütlich. Während von uns Zweibeinern die neuesten Herbstkollektionen in Cafès, *****S Hotels, Restaurants und Bars zur Schau getragen werden, zieht sich die würdevolle Ringelnatter dezent zurück.

Unter Baumwurzeln, in verlassenen Mäusegänge, in Erdlöchern, die gerade groß genug sind für eine Saison im Wartestand. Dort verbringt sie den Winter: in Kältestarre, ein stilles Warten auf das nächste Frühjahr. Kein Kalender, keine Erinnerung, nur die verlässliche innere Uhr des urzeitlichen Reptilienkörpers wird sie dann wieder hinaus locken – zum selben Stein, ins selbe Schilf.

Und wer sich anständig verhält, dem gewährt Madame Natrix auch dann wieder eine Beobachtungsaudienz.