Eine Frage des Glaubens?
Bratwürste, Missbrauch und Janusköpfigkeit
Am vergangenen Dienstag musste sich der Tegernseer Pfarrer Martin Weber im Amtsgericht Miesbach für den Besitz von jugendpornografischen Inhalten verantworten.
Von: Julia Jäckel | Veröffentlicht am 24. Oktober 2025
Konkret geht es um zwölf Bilder, die auf externen Datenträgern in mehrfacher Ausführung gefunden wurden.
Um was geht’s
Ein Mädchen posiert vor einem Spiegel. Nur ihre Arme sind bedeckt. Ein weiteres Foto zeigt ein Mädchen knieend auf dem Teppich, vor ihr ein Mann mit einer Erektion. Weitere Bilder gehen in eine ähnliche Richtung.
Für den Richter ist das Alter der Mädchen der Knackpunkt. Doch weil am Dienstag keiner die Kompetenz mitbringt, zweifelsfrei das Alter der Mädchen zu beurteilen, wird die Verhandlung ausgesetzt.
Ob jugendpornografisch oder nicht – davon hängt ab, ob es überhaupt zu einer Verurteilung kommt.
Webers Erzählung
Im Gegensatz zu vielen Angeklagten, die wegen des Verdachts kinder- oder jugendpornografischer Inhalte auf der Anklagebank sitzen und sich hinter aufgestellten Ordnern aufzulösen versuchen, sieht sich der 55-jährige Weber als Opfer einer Kampagne.
„Völlig wahnsinnig“ sei das, sagt er und „Ich habe in meiner Wahrnehmung nichts Verwerfliches gemacht.“
Alte Kamellen
Sein Hauptargument? Die Bilder sind alt. Aus seiner Zeit als Theologie-Student. Da war Weber übrigens – folgt man seiner Rechnung – auch kein Erstsemester mehr, sondern 30 Jahre.
Weber verweist auf frühere Verfahren, in denen die Bilder laut ihm schon geprüft und als unbedenklich eingestuft worden seien – Belege dafür gibt es bislang nicht.
Auch dass die Dateien dann gespeichert wurden und auf zahlreichen Festplatten auftauchten, kann der Pfarrer begründen. Demnach wurde ihm nach den ersten Vorwürfen geraten, die Bilder zu behalten, und sie wurden im Zuge von verschiedenen Neuaufsetzungen erneut kopiert.
Plausibel hält diese Argumentation auch der IT-Sachverständige, der bestätigt, dass die Bilder ein „Beifang“ der Hausdurchsuchung Ende März 2024 waren. Ein „Beifang“, der im Übrigen auch 12.000 „regulär pornografische“ Bilder beinhaltet.
Immerhin: Auf aktuellen Computern gab es keinerlei Hinweise auf Suchverläufe in Richtung kinder- oder jugendpornografischer Inhalte. Auch keine Speicherung von einschlägigen Seiten in diesen Richtungen, so der Sachverständige weiter.
Spitzeleien in der Kirche
Weber spricht davon, dass er seit vier Jahren von Anzeigen überhäuft werden. Dass seine Exfrau von einem ehemaligen Mitglied des Kirchenvorstands kontaktiert worden sei und alles nochmal aufgekocht werde. Der Streit um das Sorgerecht, die Missbrauchsvorwürfe (die nie belegt wurden).
Dieser Jemand soll gleich gegenüber von der Pfarrkirche gewohnt haben und als ehemaliger „Ministerialdirigent“, so Weber, gute Kontakte zur Staatsanwaltschaft pflegen.
Und der seine Tagesfreizeit mit dem Sammeln von belastendem Material verbracht habe: von privaten Kilometern mit dem Dienstwagen, über abgezwackte Bratwürste vom Sommerfest bis hin zum Griff in den Klingelbeutel gehen die Vorwürfe. Keiner ist belegt.
Weber ist so überzeugt von seiner Unschuld, dass er von diesen Vorwürfen sogar in mehreren Gemeindebrief Zeugnis ablegt.
Die vielen Gesichter
Weber ist ein Mann, der Eindruck machen will. Der lässig, humorvoll und weltgewandt wirken will. Einer, für den andere Regeln gelten.
Der den notwendigen Charme hatte, aus leblosen Predigten eine zeitgenössische Parabel zu machen. Ein Mann, der neben dem höhenverstellbaren Schreibtisch seinen Paraglide-Rucksack immer in Griffweite hatte. Und sich nicht scheute in Sportklamotten bei den Tal-Bürgermeistern einzulaufen.
Ein Mann, der Liebe und noch viel mehr Zorn in der Stimme trägt, wenn er über die Bundespolitik, die Leute, die die Kinderbetreuung im Tal betrifft. Der über den Dingen schwebt, der das „Betreuungsimperium“ im Tegernseer Tal als Vermächtnis sehen wollte – gegen den Widerstand der katholischen Kirche.
Eltern und Talpolitik
Doch so viele Fans hat Weber gar nicht im Tal. Sicher den Kirchenvorstand und die Pfarrerfamilie Arzberger, die jede Gelegenheit zu nutzen scheint, über die unsägliche Kampagne zu schimpfen.
Spricht man mit Eltern, kommt bei vielen nach der ersten wohlwollenden Einleitung ein leises Unbehagen. Dass er nicht einschätzbar sei, etwas Narzisstisches habe und nicht der abgesandte Sympathieträger des Herrgotts war.
Fragt man Talpolitiker, ob sie Kenntnis von den Ermittlungen hatten, wird die Unschuldsvermutung rausgekramt. Verantwortung will hier keiner übernehmen.
Schließlich war zwar Weber Chef der evangelischen Kirchengemeinde, aber hat ja nichts mit Kindern direkt zutun. Oder?
Dass das etwas verkürzt ist, zeigen zahlreiche Fotos auf Instagram, wo Weber sich durchaus auch über Kinderköpfe beugt.
Während das Gericht klärt, was auf alten Festplatten wirklich zu sehen ist, bleiben die Sorgen der Familien im Tal ungehört.
Das Amtsgericht will für die Beurteilung der Bilder das Bundeskriminalamt einschalten. Weber ist seit September vom Dienst suspendiert.