„Ohne mich geht ihr den Berg nicht hoch“

Von: Julia Jäckel | Veröffentlicht am 17. Oktober 2025

Menschenmenge auf einer Konferenz im Saal, aufmerksam und interessiert, mit Fokus auf Umwelt- und regionale Themen.
Mit Spannung erwartet, Eröffnungsabend Bergfilm-Festival. Foto: Mathias Welzhofer.

Es ist Tom Dauers Premiere. Im vergangenen Jahr stand er noch zusammen mit Urgestein, Michael Pause, auf der Bühne. Pause prägte über 20 Jahre das Festival – jetzt übernimmt Dauer. Passt ja irgendwie.

Pause wird zu Dauer

Der Alpinist und Vielschreiber macht das knackig und entspannt. Pause hingegen genießt das Festival-Treiben erstmals „seit 22 Jahren völlig entspannt aus Publikumsperspektive“.

74 Filme stehen im Programm. Zwei davon laufen am Eröffnungsabend. Die französische Produktion „Of a Lifetime“ begleitet eine snowboardende Ausnahmefamilie in die Antarktis – und „Meru – The Ascent of the Goldfish“ drei Alpinisten in den Himalaya.

Spielplatz Antarktis

Wenn man in die Familie de la Rue hineingeboren wird, in der der Vater Xavier dreifacher Freeride-Weltmeister ist, der Onkel mehrfacher und die Tante Junior-Vize-Weltmeisterin, dann sieht der Übergang ins Erwachsenenleben recht leistungsorientiert aus. Auch das Setting dafür, nämlich ein Familienausflug in die Antarktis, ist eher nischig.

Die männlichen Vorbilder in der Familie? Ziehen jeden Tag eine neue Spur ins Eis. Klettern mit den Snowboards auf den Rücken jeden Eisberg hinauf. Zwei Eispickel in jeder Hand. Keine Abfahrt ist zu steil, kein Turn zu waghalsig. Aus blau-strahlenden Eisbögen wird schnell eine Halfpipe.

Milas Mut

Und Mila? Milas Mut hat eine andere Farbe. Sie hält ihre Ängste in einem Tagebuch fest und spürt dem Unbehagen des Abenteuers nach.

Und geht dennoch jeden Tag raus. Auf Tourenski den Berg hoch. Fährt Hänge, die sie sich nicht zutraut. Rutscht aus. Kriegt Panik. Ist genervt von den Performance-Männern ihrer Familien. Macht weiter.

„Ich will die Dinge auf meine Art machen und ich will stark sein“.

In einer der letzten Szenen sehen wir, wie Mila allein einen Berg erkämpft. Xavier beobachtet das vom Segelboot aus. Im Gesicht viel Stolz und ein leichtes Unbehagen.

Zugegeben absehbar und dennoch packend. Eben weil es filmisch ein absolutes Highlight ist. Die Antarktis ist ein Niemandsort. Besetzt von Pinguinen, schmelzenden Eisgiganten und einer ukrainischen Forschungsstation. So ein Moment, der alle aus der brutalen Schönheit reißt.

Goldfisch im Himalaya

Der Aufstieg eines Goldfisches begleitet drei Ausnahmetalente, die den dreigipfligen Meru im indischen Garhwal-Himalaya bezwingen: Simon Gietl, Roger Schäli und Mathieu Mayanadier. Sie waren schon mal da. Jetzt soll es von der Schlüsselstelle ihrer Erstbegehung weitergehen.

Sie sind Strahlemenschen, die sich auch vom ewigen Warten auf die gute Wetterfront oder Magen-Darm-Problemen von ihrer neuen Route auf 6660 Meter nicht abhalten lassen.

Die ein schlechtes Gewissen haben, wenn es den nepalesischen Trägern schlecht geht oder sie den Zugang zum Basislager nicht in der erwarteten Geschwindigkeit schaffen. Auch das gehört zur Extrem-Bergsteig-Szene. Ohne andere auszubeuten, geht es nicht.

Eigentlich wollte Daniel Hug die Jungs nur fotografieren. Dann haben sie einen Film daraus gemacht und Hug begleitet die drei bis zum Ende. Weil Hug an diesem Abend im Publikum sitzt, freut er sich ein paar Anekdoten rauszugeben, die die drei etwas sterblicher machen.

Etwa dass sie Teile ihres Equipments vergraben haben und es beinah nicht wiederfanden. Oder dass der durchfallgebeutelte Mayanadier mitbekam, wie die anderen beiden darüber sinnierten, einfach ohne ihn weiterzumachen.

Seine Antwort? „Ohne mich geht ihr den Berg nicht hoch“.

Unzählige Perspektiven

Beides sind sehr klassische Berg-Filme. Begleiten sie doch Ausnahmemenschen, die ihren Körper auf Kante fahren. Schießlich geht es um das ständige Versichern der eigenen Existenz. Vor dem Setting massiver und jahrhunderter alte Felsen.

Übrigens: Das Bergfilm-Festival ist keine Gelddruck-Maschine, sondern ein Non-Profit-Festival. Bedeutet die Stadt Tegernsee verdient nichts und kann das Bergfilm-Fieber nur dank zahlungskräftiger Sponsoren verbreiten.